Angst

Ha, Angst. Bist du mächtig. Oder ermächtige ich dich?  Mich interessiert die Frage: würde mehr fühlen bedeuten mehr Angst zuzulassen?  Lässt mich ein tieferes Empfinden intensiver in dich eintauchen?

Ich stehe gerne bis zu den Knien im Wasser, bis zur Hüfte, bis zur Schulter. Dann werde ich zögerlich. Sage es ist nicht mein Element. Möchte den Boden unter den Füssen spüren. Jenes Weitere macht mir Angst. Ich verliere den Halt. Ich weiss nicht was kommt. Ungewissheit. Meine Gedanken Färben die Lücken ein, sie sind tief schwarz, undurchschaubar, haben einen Sog, ziehen immer fort. Und so bleibe ich stehen. Da, wo es sich gut anfühlt. Da, wo ich in Sicherheit bin, Kontrolle habe, jenem aufsteigenden Gefühl noch rechtzeitig entfliehen könnte. Meine Beine würden mich dem rettenden Ufer näherbringen, ich könnte mich ausruhen, aus der Ferne beobachten. Aufatmen.

Ja – Angst. Dieses Aufhorchen meiner innersten Gewebe, die Körper, Geist und Seele umschnüren, den Draht spannen, beklemmen, so dass ich mit gestreckten Armen daran hänge. Unten das wirkende Bodenlose. Meine Kraft, die allmählich nachlässt, die ich aber nicht bemerke. So eindringend dieses Gefühl, überwältigend und betäubend. Das Rationale ertränkend, den Körper in den Notstand fehlleitend. Dem inneren Auffressen ausgeliefert. Dann der Ausbruch. Weil niemand dies möchte, weil niemand dies aushält. Vorher vermeiden, Fluchtwege erahnen, weg, weg, weg.

So mächtig bist du Angst. Treibst meine Gedanken ins Unendliche, manipulierst meinen Körper und vergiftest mein Handeln. So mächtig…wenn ich dich zulasse. Und darin bin ich gut, sehe ich doch deine gekünstelten Warnschilder noch ehe sie über den Horizont tänzeln, ja, ich meine sie bereits an der scheinbaren Vibration der Erde zu erahnen, und weiche.

Was nun, wenn ich auf dich zugehe? Was würde passieren? Wie gross kannst du werden?  Wie stark? Was passiert, wenn du alles in mir hochfährst und ich nicht kapituliere? Was bleibt? Was dann? Was danach? Sag es mir.

Liebe Angst, von tausend möglichen Begegnungen mit dir, graut es mir tausend Mal vor dir. Nicht ein einziges Mal würde ich dich herbeiwünschen. Gewiss bist du auch Warnung, möchtest Sicherheit schaffen, meinst es ja nur gut. Aber du beschränkst. Du schränkst ein. Du limitierst. Und ich mit dir. Ich limitiere mich in dem ich auf dich aufspringe, wie auf einen Güterzug, der den Schienen entlang gleitet, an jedem Waggon einen nächsten nach sich zieht, immer mehr, immer dunkler, immer schwerer, bis ich mich gequält entschliesse abzuspringen. Die Rettung, uff, geschafft. Oder bist du sogleich gewachsen? Habe ich gerade die Botschaft gesendet, dass wenn du dich so aufbauscht, ich mich füge, so, dass du mit der Zeit nur mit der Achsel zu zucken brauchst und ich bereits spure?

Nun stehe ich an der Schwelle. Wie so oft. Und frage mich, was, wenn ich mich dir hingebe? Was geschieht, wenn ich den Sand nicht mehr krallen kann und auf dich zugehe? Ich bin überzeugt, du hast einen Anfang und ein Ende. Ein Teil von mir möchte herausfinden, was nach dir kommt. Und dieser Teil spürt in entfernten Ecken Ruhe einkehren. Vielleicht das leise Summen im beschatteten Tal, von Felswänden umgeben, die sich recken, die stetig den Laut vorantreiben, über Felder gleiten, in Teiche eintauchen, und im heiteren Flügelschlag mit dem Wind Saltos schlagen. Vielleicht der wiederkehrende Kampf raus aus dem Geburtskanal, dann die Befreiung, und immer wieder ein geräuschloses Sterben. Ich möchte diesem Teil Gehör schenken.

Angst kommt und Angst geht – nimm mich mit auf deine Reise und lass uns gemeinsam entdecken, welche Weiten es noch gibt.